Leid ertragen: Skills, die mein Leben verändert haben

Das Leid psychisch erkrankter Menschen ist an manchen Tagen so gross, dass sie am liebsten aufgeben möchten. Doch es gibt Skills, die den Umgang mit schwierigen Gefühlen erleichtern – und einem Lebensqualität zurückgeben.

Skills sind nichts anderes als Fertigkeiten, wenn es darum geht mit schwierigen Situationen umzugehen. Es wird unterschieden zwischen Skills in der Hochnspannung (also eine Anspannung über 70 Prozent, in der man kaum mehr handlungsfähig ist) und Skills bei mittlerer Anspannung (40 bis 60 Prozent).

Skills in der Hochanspannung (Igelball, laute Musik hören, saure Bonbons lutschen, Tabasco essen etc.) dienen dazu, in eine mittlere Anspannung zu kommen, um wieder handlungsfähig zu werden. Skills, die man während der mittleren Anspannung anwendet, sind dafür da, mit schwierigen Gefühlen und Situationen adäquat umzugehen.

Da ich Borderlinerin und ein grosses Fan von der DBT-Therapie bin, verwende ich in der mittleren Anspannung vor allem Skills, die aus diesem Ansatz resultieren. Diese Skills sind aber keinesfalls nur für Borderline-Patienten vorgsehen. Sie können allen Menschen helfen. Klischehaft würde man jetzt sagen: «Wieso lernt man so etwas nicht in der Schule?»

Innere Bereitschaft

Der Skill «innere Bereitschaft» ist einer meiner Lieblingsskills, weil er in verschiedenen Situationen einfach anzuwenden ist und einem viel Stress erspart. Es geht darum, dass man in jeder Situation wach und offen bleibt. Man ist bereits das zu tun, was die Situation gerade erfordert. Dabei ist man sich seiner Situation und Ziele bewusst. Innere Bereitschaft ist das Gegenteil von «mit dem Kopf durch die Wand». Wenn man letzterem Grundsatz folgt, passiert nämlich folgendes:

  • Man versucht Dinge zu tun, die gar nicht machbar sind. Man versuht Probleme zu lösen, die sich nicht lösen lassen.
  • Man denkt ständig daran, wie es anders sein könnte, anstatt die Situation so zu akzeptieren, wie sie gerade ist.
  • Man bleibt passiv, obwohl handeln erforderlich wäre.
  • Man will alles unter Kontrolle haben, auch das, was man gar nicht kontrollieren kann.
  • Man handelt, als ob es wichtiger wäre Recht zu haben, anstatt ein Ziel zu erreichen.

Radikale Akzeptanz

Etwas radikal zu akzeptieren heisst, eine Haltung einzunehmen, die glückliche Menschen gegenüber Dingen einnehmen, die nicht zu ändern sind. Die annehmende Haltung bezieht sich nicht nur auf die Sitaution an sich, soindern auch die eigenen Emotionen, Gedanken und Wahrnehmungen.

Beispiel: «Ich habe eine schreckliche Vergangenheit. Das kann ich nicht ändern. So ist es.»

Durch die radikale Akzeptanz kann der Leidensdruck bezüglich einer Situation um ein mehrfaches gelindert werden. Je mehr Widerstand, desto mehr leid. Je weniger Widerstand, desto weniger Leid. Der Schmerz bleibt. Das darf er auch.

Vorsicht Falle

Beim Skill «Vorsicht Falle» geht es darum, zu realisieren, wann man selbst in die Vergangenheit rutscht und sich so verhält, als wäre man in einem vergangenen erleben. Es geht zu erkennen, wann vergangenenes Erleben und Handeln aktiviert wird und wieso dies in der Gegenwart nicht mehr adäquat ist.

Beispiel: Jemand sagt mit aus Spass, dass ich zu spät bin. Das nehme ich aber gar nicht lustig und beleidige mein Gegenüber aufs Wüste Ich bin wütend, verletzt, traurig und schäme mich. Doch ist das wirklich angebracht? Bei genauerem überlegen, merke ich, dass diese Gefühle in mir hochkommen, weil meine Mutter mich früher immer bestrafr hat, wenn ich auch nur einen Augenzwinker zu spät gekommen bin. Ich bekam nichts mehr zu essen und meine Mutter nahm mich eine Woche nicht mehr in den Arm. Ich fühlte mich wertlos und unverstanden.

Wenn man merkt, dass man wieder in die Vergangenheit rutscht, geht es darum die Realität zu überprüfen und Unterschiede von heute zu früher auszumachen. Es mag durchaus sein, dass meine Reaktionen mit Wut, Trauer und Scham früher angebracht waren. Heute sind sie es aber nicht mehr.

Hilfs-Skill

Der Hilf-Skill hält einem davon ab, Dinge zu tun, die einem kurzfristig Erleichterung verschaffen, langfristig aber nicht sinnvoll sind. Er ist ganz einfach anzuwenden und kann regelmässig geübt werden. In Situationen, in der ich merke, dass ich dazu neige, falsch und unadäquat zu reagieren, frage ich mich: Ist diese Handlungsidee lanfgfristig sinnvoll? Bei einem nein, sollte von der Idee abgesehen werden.

Held*in des Alltags

Gibt es einen Menschen (kann auch eine Filmfigur oder eine imaginäre Person sein), den sie bewundern und dem sie nacheifern möchten? Machen Sie die Person zu ihrem Held oder ihren Heldin des Alltags. Fragen Sie sich in Situationen, die ihnen Bauchschmerzen bereiten: Wie würde mein Held des Alltags reagieren?

Beispiel: Ich will mich zurückziehen, die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr von der Welt wissen. Ich denke an meine Heldin des Alltags, meine Therapeutin. Ich stelle mir vor, ob sie so handeln würde und komme schnell zum Schluss, dass sie es nicht tun würde. Stattdessen würde sie in sich gehen und sich überlegen, was ihr jetzt gut tun würde: Etwas leckeres Essen, ein Bad nehmen oder sich vor dem Fernseher einkuscheln und etwas aufmunterendes schauen.

Gefühle abschwächen

Das ist ein Skill für Fortgeschrittene. Denn es geht darum, das eigene Gefühl in einer schwierigen Situation zu benennen und herauszufinden, ob diese berechtigt sind oder nicht. Wenn sie es nicht sind, kann und sollte man diese abschwächen. Das funktioniert, indem man entgegengesetzt wahrnimmt, handelt, mit dem Köper reagiert und entgegengesetzt denkt.

Beispiel: Ich empfinde Schuld, weil es meiner Mutter schlecht geht. Das ist nicht berechtigt. Meine Mutter ist selbst für sich und ihr Glück verantwortlich. Ich schwäche ds Gefühl der Schuld ab:

Entgegengesetzt Wahrnehmen: Ich nehme mich wahr und nicht meine Mutter.

Entgegengesetzt Denken: Ich denke daran, dass ich gut bin, wie ich bin und viele Menschen positiv beeinflusst habe. Ich versöhne mich mit mir und sage mir, dass ich andere verstehen würde, wenn sie keine Schuld empfinden, wenn es der eigenen Mutter schlecht geht.

Entgegengesetzte Körperhaltung: Ich mache mich nicht klein und fühle mich schuldig. Ich nehme die Schultern zurück, richte mich auf und entspanne meinen Nacken.

Entgegengesetztes Handeln: Ich tue MIR etwas Gutes und rufe in Erinnerung, wieso ich stolz auf mich sein kann.

Emotionssurfing

Wenn Gefühle berechtigt sind, muss ihnen Platz gegeben werden. Trauer, Wut, Schuld: Ohne, dass unangenehme Gefühle zugelassen und diese unterdrückt werden, geht es uns schlecht. Ein Skill, um Emotionen zuzulassen, ist das Emotionssurfing:

  • Treten Sie innerlich einen Schritt zurück.
  • Bennene Sie Ihre Emotion.
  • Wie stark ist die Emotion (0-100)?
  • Beobachten Sie Ihre Körperreaktion.
  • Beobachten Sie Ihre Gedanken.
  • Beobachten Sie Ihren Handlungswunsch.
  • Lassen Sie sich Zeit. Sie haben eine Emotion, Sie sind nicht die Emotion.
  • Atmen Sie mit der Emotion.
  • Beginnen Sie wieder bei 1.
  • Sie werden bemerken, wie die Welle abnimmt.

Fakten überprüfen

Bei diesem Skill geht es darum, Fakten von Gefühlen und Interpretationen zu trennen.

  • Schreiben Sie Ihre Sorge auf.
  • Begründet die Sorge auf Fakten oder Annahmen?
  • Sind die Interpretationen der Fakten korrekt? Gibt es Alternativen zu diesen Interpretationen?
  • Wie hoch ist die Möglichkeit, dass das schlimmste Ereignis eintritt?
  • Was kam tatsächlich heraus?

Je mehr positive Erfahrungen Sie machen und je besser Sie Interpretationen und Annahmen aufdecken, desto entspannter gehen Sie in Situationen, die Ihnen Sorgen bereiten.

ABC Gesund

Schwierige Situationen lassen sich einfacher ertragen, wenn die emotionale Verwundebarkeit nicht so hoch ist. Dies lässt sich durch den Skill ABC Gesund umsetzen:

A = Angenehme Gefühle sammeln
B = Bauen von Verantwortung
C = Chaos durch Planung vorbeugen (Was kann ich beeinflussen, was nicht. Wie kann ich schon im Vorfeld definieren, wie ich unbeeinflussbare Dinge aushalten kann)

G = Gymnastik und andere Bewegung
E = Essen und Trinken (nicht zu viel, nicht zu wenig, ausgewogen)
S = Schlaf (auch hier: nicht zu viel, nicht zu wenig)
UN = Untersuchungen und Behandlungen von Krankheiten
D = Drogen und Alkohol vermeiden

Stop – Denk

Bei dem Skill geht es darum, zuerst zu denken und dann erst zu handeln.

  1. Woran erkenne ich, dass ein Problem existiert? (Tatsächliche Hinweise)
  2. Packen Sie das Problem in Worte.
  3. Was ist mein Ziel?
  4. Gibt es mehrere Lösungen für das Problem?
  5. Was sind die Vor- und Nachteile der Lösungen?
  6. Handeln Sie nach der voraussichtlich besten Lösung.
  7. Werten Sie aus.

Mehr Skills zur Stärkung des Selbstwertes finden Sie hier.

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