«20 Minuten» berichtet über Borderline – ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug

Auf der Newsseite «20 Minuten» berichtet eine 24-jährige Frau mit Borderline über die Krankheit. Die Plattform, die sie erhält, ist toll. Aber es fehlt an etwas Wesentlichem.

Vor Sophia (24) muss man den Hut ziehen: Sie hat den Mut, öffentlich auf der Newssite «20 Minuten» in einem Video über ihre Persönlichkeitsstörung zu berichten. Sie erzählt, wann sie begonnen hat, sich selbst zu verletzen, wie sich Borderline im Alltag äussert und wie sie mit der Störung umgeht.

Sophia sensibilisiert durch ihren offenen Umgang mit dem Thema Menschen, die mit dem Begriff Borderline wenig anfangen können. Dies ist essentiell, um die Stigmatisierung der Störung in unserer Gesellschaft anzugehen. Damit Menschen einen angemessenen Umgang mit Borderline an den Tag legen können, müssen sie zuerst wissen, wie die Störung aussieht – und wieso sich Menschen mit Borderline so verhalten wie sie es eben tun.

Dass «20 Minuten» der Störung eine Plattform bietet, ist dem Medium hoch anzurechnen. Es gibt aber etwas, das nicht nur das Gratismedium in seiner Berichterstattung über psychische Erkrankungen und Störungen besser machen kann: Handlungsanweisungen bieten.

Psychisch Erkrankte sprechen zu lassen, ist wichtig, Mindestens so wichtig ist es aber, Probleme von Aussenstehenden im Umgang mit Depressionen, Borderline, ADHS und Co. aufzuzeigen. Die Gesellschaft muss sensibilisiert werden, indem sie Probleme im Umgang mit psychisch Erkrankten erkennt. Wie sollen sich beispielsweise Arbeitskollegen verhalten? Wie kann ich einem Freund helfen, der Symptome aufweist? Diese Fragen zu beantworten, muss der Anspruch eines Mediums sein. Einfach nur Erkrankte für sich sprechen zu lassen, lässt Menschen allein, die sich fragen, wie sie helfen können – und hat etwas Voyeuristisches.

Es geht im Umgang mit psychischen Erkrankungen auch um Einzelschicksale, aber eben nicht nur. Die Enttabuisierung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Entstigmatisierung sollte dabei aber nicht vergessen gehen: Was kann die Gesellschaft tun, um psychisch Erkrankte besser zu unterstützen, wo liegen die Ursachen und wo die Lösungsansätze? Welche Strategie muss eingeschlagen werden, um psychische Erkrankungen endlich gleichwertig anzuschauen wie körperliche Verletzungen und Leiden?

Das sind wichtige Fragen, die in der Berichterstattung rund um psychische Erkrankungen und Störungen nicht vergessen werden sollten. Menschen wie Sophia, die sich getrauen, sich zu outen, haben es verdient, dass sich Journalistinnen und Journalisten auch bemühen, aufzuzeigen, wie die Gesellschaft das Leben psychisch Erkrankter leichter machen kann.

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