Corona zwingt unsere Gesellschaft an ihre Grenzen. Spitäler sind am Limit – und auch die psychiatrischen Einrichtungen kämpfen mit Kapazitätengpässen. Wie es in diesen während der Coronakrise zu- und hergeht: ein Augenschein.
Die Coronapandemie hat uns überrannt. Unvorstellbar, dass so etwas passieren würde. Doch es ist passiert und hat viel Leid verursacht: bei Angehörigen, bei Betroffenen, bei Menschen, die nun um ihre Existenz fürchten und bei Menschen, denen die Coronakrise psychisch zugesetzt oder ihre Störung/Krankheit verschlimmert hat.
Während des ersten Lockdowns in der Schweiz blieben die Psychiatrien in der Schweiz für ihre Verhältnisse leer. Das mag verschiedene Gründe haben: Die Leute hatten Angst, sich in der Klinik anzustecken, psychisch Erkrankte fanden die Kraft nicht, sich einzuweisen oder sahen den Sinn nicht, da viele Therapieangebote nicht mehr möglich waren.
Nachdem der Lockdown in der Schweiz beendet war, füllten sich die Kliniken – nach und nach. Die seelischen Abgründe der Pandemie traten zum Vorschein. Menschen litten zunehmend an Angststörungen, Depressionen oder etwa den Folgen häuslicher Gewalt, die in der Coronakrise zugenommen hat. Menschen, welche schon länger mit einer Störung oder Erkrankung kämpften, erlitten Rückschläge. Vor allem Menschen mit einer Essstörung und psychisch belastete Kinder und Jugendliche suchten vermehrt Hilfe.
Das Resultat: Ambulante Therapeuten gelangten an ihre Kapazitätsgrenzen, Menschen mussten auf lange Wartelisten oder gar abgewiesen werden und in den Kliniken mussten zusätzliche Akutbetter geschaffen werden, um dem Ansturm gerecht zu werden. In Zweierzimmern standen nun drei Betten und auf Stationen mit einem Fassungsvermögen von 13 Patienten waren nun 15 anzutreffen.
Eine Herausforderung stellten auch die Therapieangebote dar. Die Teilnehmerzahlen mussten begrenzt werden, Maske und Abstand waren Pflicht. Dies führte dazu, dass Patientinnen und Patienten teilweise in der Klinik bei Therapieangeboten auf Wartelisten gesetzt wurden. Für manche war diese zusätzliche freie Zeit kaum zu ertragen.
Doch den Psychiatrien waren die Hände gebunden. Die Kapazität ist begrenzt und das Ziel, dass das Virus sich nicht in der Klinik ausbreitet, stand an oberster Stelle. Auch, um Engpässe beim Pflegepersonal vorzubeugen, das auch schon ohne Pandemie überbelastet ist.
Zur Eindämmung der Pandemie in der Psychiatrie dienten Abstand und Maske. Aber auch die tägliche Vitalzeichenkontrolle und das Messen der Sauerstoffsättigung. Bei Symptomen, und nur bei Symptomen, wurde der Betroffene umgehend zum Coronatest geschickt und isoliert – entweder zu Hause oder auf einer dafür geschaffenen Station innerhalb der Klinik. Fiel der Test negativ aus, konnte der Patient auf die Station zurück. Bei einem positiven Resultat musste er auf der Isolierstation bleiben oder sich zu Hause isolieren.
Auf den meisten Stationen wurde die Belastungserprobung von 24 Stunden am Wochenende gestrichen. Besuche in der Klinik waren nur noch eingeschränkt möglich. So durften höchstens zwei Angehörige über den ganzen Aufenthalt hinweg einen Patienten besuchen. Raucherräume wurden teilweise geschlossen und wenn ein Patient Kontakt zu einem Positiven ausserhalb der Klinik hatte, wurde penibel geschaut, dass dieser Abstand hält und Maske trägt. Geschlafen wurde aber trotzdem im Zimmer mit anderen Patientinnen.
Ich habe die Pandemie hautnah in einer psychiatrischen Klinik erlebt. Es war keine einfache Zeit. Die Angst vor der Isolation, während die Psyche mehr als angeschlagen ist, war omnipräsent. Auch die Ausgangs- und Besuchereinschränkungen zerrten an den Nerven. Und auch der Fakt, dass die Pandemie jederzeit für einen veränderten Betrieb in der Psychiatrie sorgen kann, beispielsweise, dass einzelne Stationen wegen mangelndem Personal geschlossen werden, bereitete grosse Sorgen.
Ich bereue nicht, dass ich mir Hilfe geholt habe und in der Coronakrise in die Psychiatrie ging – zu Hause wären die Herausforderungen auch da gewesen, wenn nicht sogar schlimmer. Dennoch hoffe ich, dass die Pandemie bald in den Griff gekriegt wird. Denn nicht nur Spitäler laufen am Limit. Auch Psychiatrien sind am Anschlag.